Panoramafreiheit auch bei nicht ortsfesten Kunstwerken

Geschrieben am 30.05.2017 von:

Sabine Pernikas

Rechtsanwältin | Fachanwältin für IT-Recht
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Fotografien nicht ortsfester Kunstwerke stellen keine Urheberrechtsverletzung dar und sind vom Ausnahmetatbestand des § 59 UrhG umfasst. Das hat der Bundesgerichthof entschieden und damit den Anwendungsbereich des Ausnahmetatbestands des § 59 UrhG erweitert (BGH Urteil vom 27.04.2017, Az.: I ZR 247/15).

Hintergrund der Entscheidung war ein Streit um die Fotografie eines der AIDA Kreuzfahrtschiffe. Diese sind am Bug mit einem Kussmund und an den vorderen Bordwänden mit Augen und von diesen ausgehenden Wellenlinien lackiert. Das Motiv wird als „AIDA Kussmund“ bezeichnet und wurde von einem Künstler entworfen. Die Kreuzfahrtgesellschaft AIDA Cruises hat das ausschließliche Nutzungsrecht an dem Motiv.

Kussmund sorgt für Streit

Während eines Aufenthaltes in Ägypten machte der Betreiber einer deutschen Internetseite für Ägyptenreisen ein Foto eines der AIDA Schiffe im Hafen. Dabei ist das Schiff von der Seite mitsamt AIDA Kussmund zu sehen. Das Foto veröffentliche er auf seiner Internetseite.

Das Unternehmen sah sich dadurch in seinem ausschließlichen Nutzungsrecht an dem Motiv beeinträchtigt und erhob Klage. Es war der Meinung, die Fotografie sei nicht durch die sogenannte Panoramafreiheit des § 59 UrhG vom Schutzbereich des Urheberrechts ausgenommen. Nach dieser Vorschrift ist es nämlich zulässig, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. AIDA Cruises begründete diese Ansicht damit, dass sich das geschützte Werk nicht bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet, sondern in kurzen Abständen regelmäßig den Platz wechselt und andere Häfen anfährt.

AIDA Cruises verliert in allen Instanzen

Nachdem schon das Landgericht Köln in 1. Instanz und das Oberlandesgericht Köln in der Berufungsinstanz die Klage abgewiesen hatten, hat nun auch der Bundesgerichtshof zugunsten des Webseitenbetreibers entschieden. Die Richter hielten die Vorschrift des § 59 UrhG für einschlägig und führten aus, dass ein Werk sich an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befindet, wenn es von Orten aus, die unter freiem Himmel liegen und für jedermann frei zugänglich sind, wahrgenommen werden kann. Diese Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn ein Werk nicht ortsfest ist und sich nacheinander an verschiedenen öffentlichen Orten befindet. Außerdem befindet sich ein Werk nach Ansicht der Richter auch dann bleibend an öffentlichen Orten, wenn es aus Sicht der Allgemeinheit dazu bestimmt ist, für längere Dauer dort zu sein.

Davon sollen beispielsweise auch Werke auf Fahrzeugen des öffentlichen Straßenverkehrs erfasst sein, die bestimmungsgemäß ununterbrochen den Standpunkt wechseln, sich aber dauerhaft im öffentlichen Straßenverkehr befinden. Das Urheberrecht wäre zu weit gefasst und das Fotografieren im öffentlichen Raum zu sehr eingeschränkt, wenn Aufnahmen von Werken dieser Art urheberrechtliche Ansprüche auslösen könnten. Künstler, die Werke für diesen Zweck schaffen, müssen es daher hinnehmen, wenn ihre Werke auf diese Weise vervielfältigt werden. Gleiches gilt damit automatisch auch für Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte. Der Internetseitenbetreiber durfte das Schiff daher fotografieren und das Foto auch auf seiner Internetseite öffentlich zugänglich machen.


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